Veranstaltung: | 40. Landesjugendkongress |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Medien- und Kulturpolitik |
Antragsteller*in: | Alexandra Gierlinger, Marlene Schönberger, Sebastian Hansen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 11.05.2017, 10:09 |
MK - I1: Keine Bühne für Antisemitismus, Verschwörungstheorien und "Reichsbürger"-Ideologie!
Antragstext
Die GRÜNE JUGEND Bayern fordert alle Konzertveranstalter*innen in Bayern auf,
geplante Auftritte der „Söhne Mannheims“ oder von Xavier Naidoo abzusagen.
Xavier Naidoo verbreitet schon seit längerem antisemitische,
demokratiefeindliche und homofeindliche Hetze; zudem steht er der sogenannten
„Reichsbürger“-Bewegung nahe und trat 2014 bei einer von „Reichsbürger*innen“
organisierten Veranstaltung auf. Zuletzt haben auch die Söhne Mannheims mit
ihrem neuen Album, insbesondere dem Song „Marionetten“, den selben Ton
angeschlagen. Gerade „Marionetten“ strotzt nur so vor antisemitischen
Verschwörungstheorien und auf dem Album finden sich auch Gewaltaufrufe gegen
Parlamentarier*innen.
Die GRÜNE JUGEND Bayern stellt sich klar und unmissverständlich gegen diese als
Kunst verpackte menschenverachtende Hetze. Es liegt in der Verantwortung aller
Konzertveranstalter*innen, dem keine Bühne zu bieten und sich nicht zu
Helfershelfer*innen bei der Verbreitung menschenverachtender Inhalte zu machen.
Begründung
Dringlichkeitsbegründung:
Der Antrag ist dringlich, weil sich die Kontroverse um das neue Album der „Söhne Mannheims“ erst nach Ende der Antragsfrist entwickelt hat. Auch wenn das Album bereits am 21.4. veröffentlicht wurde, wurde es einer breiten Öffentlichkeit erst Anfang Mai bekannt.
Inhaltliche Begründung:
Die Band „Söhne Mannheims“, deren bekanntestes Gründungs- und inzwischen auch wieder aktives Mitglied der Musiker Xavier Naidoo ist, wird gerade in der letzten Zeit immer wieder Thema öffentlicher Diskussionen. Viele GRÜNE JUGEND Kreisverbände in Bayern forderten bereits den Ausschluss von Xavier Naidoo von Konzerten und die Absage von öffentlichen Auftritten vor Ort. Dessen musikalische Aussagen und öffentliche Auftritte fallen auf durch vielseitige Verschwörungstheorien, antisemitische Äußerungen und explizite Hassbotschaften.
So singt Xavier Naidoo zusammen mit Kool Savas 2012 im Lied „Wo sind sie jetzt“: „Ich schneide Euch jetzt mal die Arme und die Beine ab und dann fick ich Euch in’n Arsch“. Die beiden wärmen in diesem Hidden-Bonustrack klassisch antisemitisch anmutende Ritualmord-Legenden auf, wonach angebliche Satanssekten Kinder und Babies – in ihrem Text auch Föten – töten sollen. Neben den antisemitischen Anspielungen und explizit homofeindlichen Aussagen („Ihr habt einfach keine Größe und Eure kleinen Schwänze nicht im Griff. Warum liebst Du keine Möse?“) wird Homosexualität mit Pädophilie gleichgesetzt und zu Gewalt aufgerufen. Eindeutig antisemitische Sprachcodes finden sich dann beispielsweise im Titel „Raus aus dem Reichstag“ von 2009. Aussagen, die bereits von den Nazis verwendet wurden, um Juden zu diffamieren („Baron Totschild gibt den Ton an und scheißt auf euch Gockel. Der Schmock ist`n Fuchs und ihr seid nur Trottel“) werden mit einer Kritik an Banken verbunden, womit das Klischee „des“ Juden als hinter Geld und Übeln der Welt stehenden Drahtziehers aufgewärmt wird. Im neuen Album wird mit dem Text des Liedes „Der Deutsche Michel“ die in neurechten Gruppierungen beliebte Medienhetze - Stichwort "Lügenpresse"- aufgegriffen und mit Textzeilen wie "Du glaubst doch nicht wirklich, dass unsere Nachrichten nicht nachgerichtet sind?" eine Zensur suggeriert. Darauf folgend wird die Frage nach der Herkunft der Nachrichten gestellt, um sie dann sogleich selbst zu beantworten: Es handelt sich um einen "vermoosten Schoß", der einen zwar "in Sicherheit wiegt", das dazugehörige Gesicht, eine namenlose Macht repräsentierend, ist jedoch eine "Fratze", auf deren "Altar" man liegt und "geopfert" wird. Gleichzeitig wird, wie schon in früheren Texten Naidoos, neben dem Staat das Bankenwesen angeprangert, was bekanntermaßen eine Allegorie auf das eindeutig antisemitisch konnotierte "Weltjudentum" ist. So heißt es konkret: "Der Michel gestresst von den Ämtern | Im Sessel per Geldtransfer wird er erpresst von den Bänkern". Dieselben Bänker sind es dann, von denen angeblich bekannt ist, dass sie "mit Giften Kinderherzen" tränken. Auch in dem Song „Marionetten“ wird das antisemitische Bild des fädenziehenden Puppenspielers, der die Marionetten im Hintergrund lenkt dargestellt. Kritik an diesen klar antisemitisch erscheinenden Texten scheint Naidoo nicht zu behagen. So ging er zum Beispiel 2014/15 gerichtlich gegen die Amadeu Antonio-Stiftung vor, beziehungsweise gegen die von der Stiftung betriebene Plattform netz-gegen-nazis.de, die ihn als Antisemiten bezeichnet hatte. In einem Vergleich wurde vereinbart, dass Naidoo kein Antisemit sei, sehr wohl aber Teile seiner Texte antisemitisch interpretiert werden können.
Auch in dem Lied "Marionetten", das die Band bereits jetzt, kurz nach Veröffentlichung, nicht mehr öffentlich spielt, wird offen zur Gewalt aufgerufen. Wie in anderen Texten von Xavier Naidoo werden auch hier Politiker*innen angesprochen, die als Marionetten, als "Volks-in-die-Fresse-Treter" bezeichnet werden, die ihr Volk verraten. Sind sie nicht einsichtig, "sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür", dass sie es werden. Und ganz persönlich droht einer der Söhne: "Und wenn ich nur einen in die Finger bekomme | Dann zerreiss' ich ihn in Fetzen | Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphen und Gesetzen". Nur schwer lässt sich in diesen Zeilen ein "Aufruf zum Dialog" erkennen, wie es Sänger Rolf Stahlhofen verstanden wissen will. Mit dem "wütenden Bauer mit der Forke" wird darüber hinaus eindeutig Bezug auf die Pegida Frontfrau Tatjana Festerling genommen, die bei einer Rede am 11. Januar 2016 dazu aufforderte „die volksverhetzenden Eliten mit Mistgabeln aus den Parlamenten, den Gerichten, den Kirchen und den Pressehäusern zu prügeln.“
Neben diesen musikalisch verbreiteten Hassbotschaften fällt Naidoo spätestens seit 2014 dadurch auf, dass er Inhalte der „Reichsbürger“-Bewegung teilt und beispielsweise öffentlich die Meinung vertritt, die BRD sei „kein richtiges Land“, habe keine Verfassung (Naidoo akzeptiert den 2 + 4-Vertrag nicht als Friedensvertrag) und sei nach wie vor besetzt. Diese Nähe zu den „Reichsbürgern“ zeigte er unter anderem mit der Teilnahme an einer öffentlichen Kundgebung der „Reichsbürger“-Bewegung am 3. Oktober 2014 vor dem Bundestag, an der auch Personen wie der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke teilnahmen. Am selben Tag noch hielt Naidoo eine Rede bei einer rechten Mahnwache, bei der auch der Herausgeber eines rechten Querfrontmagazins, Jürgen Elsässer zugegen war. Die politischen Botschaften des Sängers sind klar zu verurteilen. Xavier Naidoo hat sich nie dazu durchgerungen, sich von seiner Nähe zu den sogenannten Reichsbürgern zu distanzieren. Wurde Naidoo in der Vergangenheit mit Satire-Preisen wie dem „Goldenen Brett vorm Kopf“ und dem „Goldenen Aluhut“ bedacht, bleibt einem das Lachen angesichts genannter Auftritte und Aussagen und ob des Bewaffnungsgrades der „Reichsbürger“ allerdings mittlerweile im Halse stecken. Gerade die sogenannten Reichsbürger sind eine Gefahr für die demokratische Verfassungsordnung und wurden viel zu lange als „Spinner“ und „Verwirrte“ abgetan, selbst ernannte Könige und ‚Druide‘ sind aber alles andere als ungefährlich. Spätestens seit dem Schuss eines Reichsbürgers auf einen SEK-Mann zeigen sich die Gefahr und die Gewaltbereitschaft, die von Anhänger*innen ausgeht und wird seitdem als ultra-rechte Vereinigung öffentlich wahrgenommen. Erst am 25. Januar 2017 hat der Verfassungsschutz die Zahl der der Reichsbürger Anhänger*innen in Deutschland auf 10.000 geschätzt, darunter seien rund 500 bis 600 Rechtsextreme. Auch in Bayern sind die Reichsbürger gut vernetzt.
Doch schon vor Georgensgmünd und dem damit verbundenen Bekanntwerden des Ausmaßes der „Reichsbürger“-Bewegung distanzierte sich nicht nur der Mannheimer Oberbürgermeister von Xavier Naidoo. Auch die Popakademie, an der Naidoo als Dozent tätig war, kündigte vorerst die Zusammenarbeit auf. 2015 war Naidoo dann auch für den NDR nicht mehr tragbar und dieser zog seine Nominierung für den Eurovision Song Contest (ESC) zurück. Bis heute werden die Auftritte von Naidoo mit Protesten begleitet, auch in Bayern.
Deshalb: Kein Fußbreit gilt überall, auch auf Konzertbühnen!
Festzuhalten bleibt, dass vor allem Xavier Naidoo, aber auch zuletzt die Söhne Mannheims, mit ihren Texten Verschwörungstheorien, antisemitische Stereotype und andere menschenverachtende Hetze verbreiten. Für antisemitischen, demokratiefeindlichen und verschwörungstheoretischen Hass darf es keine Bühne geben, egal wo! Wer sie doch zur Verfügung stellt, macht sich mitschuldig an der Verbreitung von Menschenverachtung.
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