S1NEU2: System: ändern. Klima: retten!
Veranstaltung: | 44. Landesjugendkongress |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 4 Schwerpunktthema Klimaschutz |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.05.2019, 15:00 |
Antragshistorie: |
Veranstaltung: | 44. Landesjugendkongress |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 4 Schwerpunktthema Klimaschutz |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.05.2019, 15:00 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Von 1850 bis 2017 stieg die globale Durchschnittstemperatur auf der Erde um 1
Grad. Innerhalb des laufenden Jahrhunderts könnte dies nochmal um 2 bis 4 Grad
erhöht werden.
Aktuell steigt der Meeresspiegel je Dekade um 3 cm. Bis 2100 könnten es 2 Meter
sein.
Seit 1969 wurden die ersten 700 Meter der Weltozeane 0,17 Grad wärmer.
Die Meeresoberflächen sind heute im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 30
Prozent saurer.
Die Zone des Dauerfrostes in den nördlichsten Regionen der Welt ist um 100 km
zurückgegangen - bis 2040 wird es dort kein Eis mehr geben.
Tauende Permafrostböden, freiwerdendes Methan von Meeresböden und die
Überhitzung und Zerstörung der größten Wälder dieses Planeten wie des Amazonas-
Regenwaldes und der Taiga können unumkehrbare Ereignisse lostreten. Sie sind die
Kippelemente kurz vor dem Point of no Return, der uns bevorsteht.
Und unablässig wird dieser menschengemachte Klimawandel durch die Mühlen unseres
Wirtschaftssystems vorangetrieben!
Der historisch enge Zusammenhang von Klimakrise und Kapitalismus ist nicht zu
leugnen. Die Entwicklung von Wirtschaft und Industrie ist direkt verbunden mit
wachsenden CO2-Ausstößen und ebenso direkt mit der steigenden globalen
Durchschnittstemperatur. Wirtschaftswachstum beruht im kapitalistischen System
immer auch auf einem steigenden Ressourcenverbrauch. Bisher ist es nicht
gelungen, diese beiden Faktoren voneinander zu entkoppeln. Versuche, den
Verbrauch von Ressourcen von wirtschaftlichem Wachstum zu entkoppeln, führten
bisher immer zu sogenannten Rebound-Effekten: Gesteigerte Effizienz führte nicht
zu weniger umweltschädlicher Produktion, sondern zu einer Radikalisierung des
Wirtschaftens!
Zusammengefasst: Eine Korrektur innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise
führt nicht zu einem gleichbleibenden oder gar sinkenden Ressourcenverbrauch.
Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt daher keinen Anlass, auf einen ökologisch
nachhaltigen Kapitalismus zu hoffen!
Nach Marx‘ Grundformel des Wirtschaftens ist die Basis des Kapitalismus eine
„Vermehrung“ von Geld mithilfe eines Mehrwertes, der durch Arbeit, Ressourcen,
Transport usw. einer Ware entsteht. Dieser Mehrwert hängt also direkt von den
zur Verfügung stehenden Rohstoffen ab. Damit erklärt sich, wie die unendliche
Wachstumswirtschaft derzeit an globale, planetare Grenzen stößt.
Unser derzeitiges kapitalistisches Wirtschaftssystem basiert auf Profiten, die
durch den Raubbau an Ressourcen und dem Streben nach unendlichem Wachstum
generiert werden. Unendliches Wachstum ist inkompatibel mit den endlichen
natürlichen Ressourcen unseres Planeten und führt daher notwendig zu
Umweltzerstörung und Klimawandel. Daher stößt die derzeitige weltweite
Wachstumswirtschaft an globale, planetare Grenzen. Hier hilft kein
„Ideenwettbewerb“ um die besten und schönsten Elektrofahrzeuge, wie von einigen
vorgeschlagen. Hier hilft nur ein radikales Umdenken jenseits von Sprüchen, die
eine Vereinbarkeit des aktuellen Wirtschaftssystems mit reellem Klimaschutz
heucheln. Die vergangenen 25 Jahre deutscher Klimapolitik haben nämlich genau
eines geschafft: Keinen Effekt. Die einzigen relevanten Emissionssenkungen der
1990er Jahre hängen vordergründig mit dem Abwracken der einstigen ostdeutschen
Industrie zusammen, nicht mit einem grüneren Kapitalismus. Ansonsten hat sich
wenig bis nichts getan. Neben dem Bundeswirtschaftsministerium steht das
Ministerium für Umwelt und Naturschutz macht- und ideenlos da.
Globale Klimagipfel zeigen jedes Jahr wieder die Dringlichkeit des Klimawandels
auf, verändern jedoch wenig: ihr Einfluss auf klimatisch feststellbare
Veränderungen ist quasi nicht nachweisbar. Maßnahmen wie der Europäische
Emissionshandel sind stark umstritten und zeigen mindestens insofern keine
Wirkung, als dass die Europäische Union, inklusive der wegen ihr verursachten
Emissionen im Globalen Süden, für die vergangenen 25 Jahre einen Netto-
Emissionsanstieg verzeichnet.
Nicht zuletzt tut sich besonders Deutschland bzw. die deutsche Klimapolitik
schwer mit radikalem Handeln, auch wegen einer starken Kohle- und Diesellobby.
Während Menschen auf der Nordhalbkugel besonders mit anhaltenden Trockenphasen
rechnen müssen, kommt es auf der anderen Seite des Planeten zu einer Zunahme von
Fluten und Stürmen. Nationen könnten durch den steigenden Meeresspiegel quasi
versenkt werden, Küstenregionen werden unbewohnbar, das Sterben von
Meereskorallen bedroht das Leben einer halben Milliarde Menschen, deren
Versorgung damit zusammenhängt.
Dazu kommen noch hochaktuelle Gefahren für die Trinkwasserversorgung in vielen
Ländern des globalen Südens: Beispielsweise sind natürliche Trinkwasservorräte
in den Anden in 20 Jahren erschöpft. Besonders wertvolle Güter wie Wasser, Land,
Wald und Artenreichtum könnten umkämpft sein und zu Ressourcenkonflikten bis hin
zu Kriegen führen.
Das wahrscheinlich ungerechteste Detail an all diesen Folgen ist, dass die
Auslöser dieser Konsequenzen sich im globalen Norden finden. Die Klimaschuld
liegt bei jenen, die den Klimawandel selbst sehr viel weniger spüren und spüren
werden: Den wohlhabenden Industriestaaten dieser Welt, darunter auch
Deutschland.
Hier zeichnen sich bereits weitreichende Konsequenzen unseres Wirtschaftens ab:
neben den ökologischen werden uns auch soziale Folgen treffen. Eine davon werden
globale Migrations- und Fluchtbewegungen sein: schätzungsweise bis zu 200
Millionen Klimaflüchtende wird es bis 2050 geben. Wir als GRÜNE JUGEND Bayern
fordern daher, die Klimakrise global und nicht regional oder national zu denken.
Klimaschutz ist kein Heimatschutz, sondern muss in den weltweiten Kontext
eingeordnet und dort auch mit radikalen Mitteln erkämpft werden. Denn: Mehr Zeit
bleibt uns nicht. Außerdem fordern wir Solidarität mit allen Menschen, deren
Leben von den Folgen des Klimawandels bedroht sind. Da wir mit unserer
Wirtschaftsweise unseren den hiesigen Wohlstand auf der kapitalistischen
Ausbeutung des globalen Südens bauen, sind wir auch verantwortlich für die dort
zunehmend drastischen negativen klimatischen Auswirkungen. Wir fordern die
Gewährleistung von Hilfe vor Ort sowie die Aufnahme von Menschen, die wegen
massiver klimatischer Veränderung flüchten müssen.
Eine andere große soziale Folge des Klimawandels bleibt oftmals noch
unbeachteter: Die Intersektionalität von Negativfolgen der globalen Erwärmung
und der weltweit unterschiedlich auftretenden Diskriminierung von Frauen!
Klimaschutz muss für uns immer auch eine feministische Frage sein und so fordern
wir damit einhergehend Geschlechtergerechtigkeit!
Gründe dafür gibt es mehr als genug. So ist die Gefährdung durch
Klimakatastrophen bei Frauen weltweit betrachtet wesentlich höher als bei
Männern. Ironischerweise nehmen bedeutend weniger Frauen als Teil von
Delegationen an Klimagipfeln teil. Klimapolitische Maßnahmen werden dadurch in
erster Linie männlich gedacht und betreffen daher meist nur männliche
Lebensrealitäten. Dass Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltige
Wirtschaftssysteme zusammengedaxcht werden müssen,ist wissenschaftlich erwiesen.
Wenn Frauen am Verhandlungstisch sitzen, sind Klimaschutz und Klimafolgen-
Management nachweislich effizienter.
Wen betrifft die Klimafrage? Durch die Zerstörung von Biodiversität wird Armut
weltweit zunehmen und bereits heute sind 80 % der weltweit ärmsten Menschen
Frauen. Frauen werden direkter von zunehmenden Seuchen und Krankheiten durch
Wasserarmut sowie -verunreinigung betroffen sein, da sie Kranke pflegen und
dadurch einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Gleichzeitig werden
Geschlechterfragen in globalen Klimaabkommen oft gar nicht erwähnt – kein Wort
darüber findet sich im Kyoto-Protokoll von 1997, auch 2015 beim Pariser
Klimaabkommen wird die Problematik lediglich in der Präambel erwähnt.
Paradoxerweise leisten Frauen, doppelt durch die Herrschaftsverhältnisse im
Kapitalismus und Patriarchat eingeschränkt, einen wesentlich geringeren Beitrag
zur Klimaerwärmung, aber leiden mehr unter den Auswirkungen. Das zeigt sich auch
in den Industriestaaten, wo Frauen stärker unter jeglicher klimatischer
Veränderung leiden, verstärkt durch häufiger fehlende Hilfe im sozialen Umfeld
im Alter und bei Krankheit. Gleichzeitig haben Frauen einen geringeren
Energieverbrauch als Männer: Sie nutzen seltener ein eigenes Auto, häufiger ÖPNV
oder Fahrrad.
Die GRÜNE JUGEND Bayern fordert daher reelle Gleichstellung der Geschlechter,
besonders in der Klimafrage. Wir fordern eine höhere Repräsentation von Frauen
in Verhandlungen zu Klimaabkommen, jedoch auch allgemein mehr Präsenz von Nicht-
Cis-Männern in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Patriarchale
Machtstrukturen in politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen
müssen aufgebrochen werden. Nötig dafür ist eine geschlechtsneutrale
frühkindliche und jugendliche Bildung, Mittel können auch eine Frauen*quote in
Unternehmen und Parlamenten sein. Bei der Verwendung finanzieller Mittel für
klimapolitische Anpassungsmaßnahmen muss die Methode des Gender Budgeting
angewendet werden, sodass tatsächlich Verbesserungen für die Lebensrealitäten
von Frauen erreicht werden können.
Klimaschutz und das Retten unserer Lebensgrundlagen wurde in den letzten Monaten
mehrheitsfähig. Selbst Konservative und Liberale haben gemerkt, dass wir ohne
den Schutz unseres Planeten keine Zukunft haben, über die sich streiten lässt.
In vielen Teilen der Gesellschaft hat es sich durchgesetzt, statt der
Plastiktüte zum Jutebeutel zu greifen, weitestgehend auf tierische Produkte zu
verzichten oder Fair Fashion zu kaufen - ökologischer und bewusster Konsum wurde
zum Lifestyle.
Die Änderung des eigenen Konsum- und Verbrauchsverhalten wird als einfach und
radikal genug gesehen, um unsere Lebensgrundlagen zu retten.
Jedoch dürfen wir die Veränderung unseres Klimas und der Erde nicht allein auf
unseren individuellen Konsum zurückführen. Die Zukunft unseres Planeten wird
nicht am Supermarktregal entschieden.
Das individuelle Konsumverhalten als Schlüssel der Klimakrise zu begreifen,
verkennt die Marktlogik des Kapitalismus und dient letztendlich nur dem
kapitalistischen System selbst.
Weiterhin verschließt sich die Konsumkritik jeglicher sozialer Ungleichheit. Der
Verzicht als moralisch überlegene Art zu leben, ignoriert die Frage, wer sich
faire Kleidung, die Bambus-Zahnbürste und Bio-Produkte überhaupt leisten kann.
Menschen, die Monat und Monat um ihre Existenz fürchten und in Armut leben,
können sich schlichtweg kein konsumkritisches Leben leisten und ein
konsumkritischer Einkauf wird auch nichts an Armutsverhältnissen ändern.
Niemand bestreitet, dass es sinnvoll ist, zum Jutebeutel zu greifen oder zum
fair produzierten T-Shirt - Konsumfragen sind aber Klassenfragen.
Der Konsum der Menschen basiert nicht rein auf individuellen Entscheidungen,
sondern ist das Ergebnis der Produktions- und Lebensweisen unserer Gesellschaft.
Dieser Prägung des Kapitalismus können wir uns nicht entziehen. Im
kapitalistischen System erhält der Mensch seine gesellschaftliche Anerkennung
durch den Besitz und den Erwerb von Waren. Ein Verzicht auf den Konsum von
Gütern, die unsere Bedürfnisse befriedigen, greift lediglich den Menschen an,
der in diesem System lebt, aber nicht das System selbst.
Es braucht wirksame politische Maßnahmen bis hin zu einer Systemänderung, um
unsere Lebensgrundlagen zu schützen, Pflanzen- und Tierarten zu erhalten und die
Klimakrise zu stoppen - und nicht einen moralisierten Konsum von Individuen.
Gemeinsam sollten wir uns für eine deutliche Kritik am Kapitalismus stark
machen, endlich auf progressive Sozialpolitik setzen und schließlich aus dem
ausbeuterischen System ausbrechen!
Neben politischen Maßnahmen müssen wir raus auf die Straße oder in die Grube.
Wir müssen unseren politischen Forderung eines Systemwandels Nachdruck
verleihen.
In den letzten Monaten schlossen sich tausende junge Menschen zusammen, um für
ihre Zukunft auf die auf die Straße zu gehen. Woche für Woche kamen jeden
Freitag Schüler*innen, Studierende, Auszubildende und junge Menschen zusammen,
um wirksamen Klimaschutz einzufordern - denn die beste Ausbildung und
Weiterbildung der Welt bringt nichts, wenn unser Planet kurz vor dem Kollaps
steht.
Gleichzeitig solidarisierten sie sich mit der Schülerin und Klimaaktivistin
Greta Thunberg, die den Schulstreik ins Leben gerufen hat und seit Sommer 2018
jeden Freitag streikt.
Neben den aufkommenden Fridays for Future Protesten engagieren sich seit Jahren
immer wieder viele Aktivist*innen gegen den Abbau von Braunkohle. Die GRÜNE
JUGEND Bayern schließt sich Ende Gelände in der Forderung an, den Kohleausstieg
jetzt einzuleiten
. Wir fordern die Abkehr vom Kapitalismus für einen tiefgreifenden sozial-
ökolgischen Wandel!
Wir solidarisieren uns ganz klar mit allen jungen Aktivist*innen für unseren
Planeten - ob bei Ende Gelände, bei Fridays for Future oder im Hambi!
Der Klimaschutz braucht sofortige Maßnahmen, denn es ist schon viel zu spät.
Deshalb geht zu Fridays for Future, fahrt zu Ende Gelände, seit laut für den
Systemwandel!
Erfolgt mündlich.
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